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Das Pferd Gullfaxi
Adeline Rittershaus - Neuisländisches Volksmärchen


Ein König, der einen einzigen Sohn Sigurður besitzt, heiratet nach langer Trauer um den Tod seiner ersten Gattin zum zweiten Male. Sigurður gewinnt seine Stiefmutter Ingibjörg so lieb, dass er immer bei ihr ist. Doch eines Tages will sie durchaus, dass er den Vater zur Jagd begleite. Da er ihr nicht gehorchen will, verbirgt sie den Knaben unter ihrem Bette und warnt ihn, nur ja sich ruhig zu verhalten. Bald darauf hört er ein furchtbares Dröhnen und sieht eine Riesin bis zu den Knöcheln aus dem Erdboden aufsteigen. Sie begrüßt die Königin als Schwester und fragt, ob Sigurður zu Hause sei. Ingibjörg verneint es - er sei mit dem Vater zur Jagd geritten. Darauf setzt sie der Riesin allerhand Leckerbissen vor, an denen diese sich erlabt. Vor dem Weggange fragt sie noch einmal nach Sigurður, und dann verschwindet sie auf die gleiche Weise. Am folgenden Tage bleibt Sigurður wieder - trotz Ingibjörgs Bitten - zu Hause bei der Stiefmutter. Die Riesin, die nun kommt, ist noch schrecklicher anzuschauen - sie bleibt bis zu den Waden im Boden. Auch sie erkundigt sich mit den gleichen Worten bei ihrer Schwester Ingibjörg nach dem Königssohne, und alles verläuft, wie am Tage vorher. - Die dritte Riesin, die am dritten Tage kommt, ist die schrecklichste von allen - sie kommt überhaupt nur bis zu den Knieen aus dem Boden heraus. Zuerst scheint sie in betreff Sigurðurs den Worten ihrer Schwester Glauben zu schenken. Nachdem sie jedoch alle Leckerbissen zu sich genommen hat, legt sie - für den Fall, dass er so nahe ist, um sie hören zu können - den Fluch auf ihn, er solle halb verbrannt und halb verdorrt sein und nicht eher East noch Kühe finden, bis er sie aufgesucht habe. - Um nun den Königssohn, der halb verbrannt und halb verdorrt aus seinem Verstecke zwischen dem Wandgetäfel hervorkommt, so bald wie möglich zu erlösen, gibt ihm die Stiefmutter ein Knäuel, das ihm den Weg zeigen soll und ferner drei Goldringe. Zuerst würde er zu ihrer ersten Schwester kommen. Sowie die ihn sehen würde, würde sie sagen "das ist gut! Da ist der Königssohn Sigurður. Der soll heute Abend in den Topf." Darauf würde sie ihn mit einem Bootshaken zu sich den Felsen hinaufziehen. Doch er brauche sich nicht zu fürchten. So wie er sie von ihr gegrüßt und ihr einen Goldring übergeben hätte, würde sie freundlich werden. Sie würde ihn darauf zu einem Ringkampfe auffordern und ihm so lange aus einer Flasche zu trinken geben, bis er sie überwinden könne. - Mit den übrigen beiden Schwestern würde es ihm dann in der gleichen Weise ergehen, und die dritte würde dann schließlich den Fluch wieder von ihm nehmen.

"Wenn aber", also schließt Ingibjörg ihre Weisungen, "meine Hündin zu dir kommen sollte mit Tränen in den Augen, dann beeile dich heimzukehren, denn dann ist mein Leben in Gefahr“ Es trifft nun alles nach der Stiefmutter Voraussagungen ein. Die dritte Schwester nimmt den Fluch wieder von ihm, und schickt ihn dann weiter zu einem See, wo er sich mit einem kleinen Mädchen anfreunden und ihm einen Goldring schenken soll. - Sigurður folgt dem Rate. Das kleine Mädchen nennt sich Helga und erzählt, dass sie nicht weit von dort bei ihren Eltern wohne. Auf des Prinzen dringende Bitte nimmt sie ihn am Abend mit nach Hause. Damit der Vater ihn nicht findet, verwandelt sie ihn dadurch, dass sie ihren Handschuh über ihn hält, in ein Wollbüschel. Dieses wirft sie aufs Bett. Der Vater wittert bei der Heimkehr zwar gleich, dass ein Mensch da ist, muss sich aber, da er ihn nirgends findet, zufrieden geben. Der folgende Tag vergeht auf die gleiche Weise. Am dritten Tage zeigt Helga ihrem Spielgefährten alle Schätze der Wohnung, denn der Vater ist weit fort zur Kirche gegangen und hat ihr alle Schlüssel anvertraut. Nur eine eiserne Türe, zu der ein kleiner Schlüssel passt, wird von dem Mädchen nicht aufgeschlossen. Auf Sigurðurs flehentliche Bitte lässt sie ihn schließlich ein wenig hineinschauen. Doch schnell stößt er die Türe ganz auf und geht hinein. Er sieht drinnen ein prächtig gesatteltes Pferd stehen. Über diesem hängt ein Schwert, auf dessen Griff folgende Worte eingeritzt sind: "Wer auf diesem Pferde sitzt und sich mit diesem Schwerte umgürtet, wird ein Glücksmensch werden." Nun hat Sigurður keine Ruhe, bis ihm Helga erlaubt, sich mit dem Schwerte zu schmücken und einmal auf dem Pferde um das Haus herumzureiten. Sie sagt, das Pferd heiße Gullfaxi und das Schwert Gunnfjöður. Wer auf dem Pferde sitze, bekäme zugleich auch noch einen Zweig, einen Stein und einen Stock. Wenn man dann verfolgt würde, so brauche man nur den Zweig hinter sich zu werfen, so verwandele sich dieser sogleich in einen dichten Wald. Wenn man trotzdem des Verfolgers noch nicht ledig sei, so müsse man mit dem Stocke auf die weiße Seite des Steines schlagen. Dann entstünde ein solches Hagelwetter, dass jeder Feind in ihm umkommen müsse. - Wie Sigurður nun auf Gullfaxi ums Haus herumreitet, sieht er in der Entfernung Helgas Vater herbeikommen. Er sprengt, so schnell er kann, in entgegengesetzter Richtung von dannen. Helga bricht nun in Tränen aus. Als der Riese seine Tochter weinend findet und die Ursache ihrer Tränen erfährt, eilt er dem Räuber nach. Sigurður, sieht ihn herankommen und wirft den Zweig hinter sich, so dass ein dichter Wald entsteht. Nun muss der Riese noch schnell nach Hause laufen und eine Axt holen, um sich einen Weg zu bahnen. Doch schon ist er wieder so nahe, dass er fast den Schweif des Pferdes berührt. Da schlägt Sigurður auf die weiße Seite des Steines. Jetzt bricht hinter ihm ein solches Hagelwetter los, dass der Riese dabei jämmerlich ums Leben kommt. - Nachdem Sigurður eine Weile weiter geritten war, kommt die Hündin seiner Stiefmutter mit Tränen in den Augen zu ihm. Nun sprengt er heimwärts und kommt gerade noch zur rechten Zeit, um Ingibjörg zu erlösen, die auf einem Scheiterhaufen von neun Knechten verbrannt werden soll. Er erschlägt die Leute mit seinem guten Schwerte und geht dann mit der Stiefmutter zum Vater, den er über alles aufklärt. Später reitet er dann noch einmal zur Wohnung des Riesen, um sich die kleine Helga als Braut ins Königreich zu holen.