zurück || Homepage

 

Die Königstochter vom Rhein
Ludwig Bechstein


Vor grauen Zeiten soll das alte Worms auch die Hauptstadt des burgundischen Reiches gewesen sein. Ein Zigeunerweib stahl aus der Insel des Rosengarten eine Königstochter in einem kleinen Badewännlein, und trug sie über den Rhein. Niemand wusste, wo das Kind hingekommen. Sein Vater grämte sich zu Tode, und seine Mutter starb fast vor Herzeleid. Achtzehn Jahre gingen darüber hin, da ritt der Königssohn durch einen Wald, fand dort ein Wirtshaus und kehrte ein; den Wein den er begehrte, brachte ihm eine schöne Jungfrau, die ihm über alle Maßen wohl gefiel. Da er nun eines Fußbades begehrte, so rüstete ihm das die Maid mit frischen grünen Kräutern und brachte es in einem Badewännlein dargetragen. Die Wirtin aber war ein hässliches, altes, braunes Weib, die gab der Maid böse Rede, und sagte dem jungen Rittersmann, den sie nicht kannte, dass jene nur ein Findelkind sei, vor langen Jahren von ihr angenommen und auferzogen zu einer Dienstmagd. Wie aber der Königssohn sich das Badewännlein ansah, gewahrte er mit Staunen daran das Burgundische Wappenschild, und dachte bei sich selbst: wie kommt dieses Wännelein mit dem Wappen meines Stammes in dieses schlechte Wirtshaus? Und da fiel ihm bei gehört zu haben, dass vor langen Jahren sein Schwesterlein zusammen dem Wändchen, in dem es gebadet worden, aus dem Rosengarten verschwunden sei, und dass seine Mutter ihm oft erzählt, das Schwesterlein habe ein Malzeichen am Halse gehabt, und dasselbige Zeichen entdeckte nun also bald der Königssohn am Halse der Dienerin. Da grüßte und umfing er sie als seine liebe Schwester, und als die Wirtin eintrat, fragte er diese, von wem und von wannen sie diese edle Jungfrau habe? Die Wirtin erschrak gar sehr, zitterte und erbleichte und fiel auf die Knie. Sie hatte, da die Wärterin nur auf eine kurze Zeit sich entfernt, Kind und Wännlein davon getragen und war eilend in einem Kahn über den Rhein hinüber gefahren.

Da zog der Königssohn sein Schwert, das war sehr spitz und scharf, und stach die böse Wirtin damit in das Ohr, dass die Spitze zum andern Ohr wieder heraustrat, hob die Maid samt dem Wännelein auf sein Ross und ritt gen Worms zu seiner Frau Mutter. Die Königin wunderte sich dass, als sie das Paar so seltsam daher reiten sah, und fragte ihren Sohn: welch eine Dirne bringst du uns daher? Sie führt ja ein Wännelein mit sich, als wenn sie mit einem Kinde ginge? – Frau Mutter, ich bringe keine Dirne, sondern Euer verlornes Kind, mein lieb Schwesterlein, zusammen dem Wännelein, darin es Euch geraubt ward vor achtzehn Jahren! – Bei dieser Rede fiel die Königin vor Freude in Ohnmacht, und als sie wieder in den Armen ihrer Kinder erwacht war, priesen alle drei den Herrn.