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Der Krämer


Ein Krämer war in die Stadt gegangen und wollte in dem Wirtshaus, in dem er einzukehren pflegte, eine Schlafstelle finden. Aber die Zimmer waren alle besetzt, und in der Wirtsstube und in den Gängen schwärmte es wie in einem Bienenstock. Der Wirt war in großer Verlegenheit, denn er wollte einen so altbekannten Gast nicht aus dem Hause lassen, und sagte:

"Ja, heute ist alles so überfüllt, dass ich nicht weiß, wo ich Euch hintun soll. Es ist kein Zimmer mehr frei, nur eines, aber in das mag ich Euch nicht hineintun, weil es darin unheimlich ist."

"Ach was, unheimlich" sagte der Krämer "Wenn ich nur ein ordentliches Bett habe und einmal auf dem Ohr liege, dann weckt mich keine Katze mehr auf. Gebt mir nur ruhig das Zimmer!"

Dem Wirt fiel ein Stein vom Herzen. Als das Hausmädchen das Bett zurechtgemacht hatte, legte sich der Krämer nieder und schlief auch gleich ein, denn er war sehr müde.

Er mochte etwa zwei Stunden geschlafen haben, als es plötzlich vor der Tür laut wurde und er aus seinem Schlaf erwachte. Er richtete sich in seinem Bett auf und schaute zu der Tür hin. Wie erstaunt war er aber, als sich diese trotz des vorgeschobenen Riegels öffnete und ein altes Männchen mit einem langen grauen Bart ins Zimmer trat! Es ging zu einer Wand hin, zog aus seiner Tasche einen Schlüssel und öffnete damit einen verborgenen Wandkasten. Im Kasten war ein Rasierzeug, das nahm das Männchen heraus, rieb Seife ins Wasser und winkte den Krämer heran.

Dem Krämer war es wohl ein bisschen unheimlich, er stieg aber dennoch aus dem Bett1 zog sich die Hose an und setzte sich auf den Stuhl, den ihm das Männchen anbot. Hierauf nahm das Männchen Seife und Wasser und seifte des Krämers Bart ein. Dann nahm es das Rasiermesser und rasierte den Krämer, dass auch kein einziges Härchen mehr am Gesicht sitzenblieb. Als es geendigt hatte, packte es das Zeug zusammen, blickte den Krämer traurig an und wollte gehen.

Der Händler war aber ein gescheiter Mann und dachte: Ich habe immer gehört, man soll Gleiches mit Gleichen vergelten. Also sagte er zum Männchen: "Setz dich!", und das Männchen setzte sich. Dann packte er das Rasierzeug aus, nahm Seife und Wasser, seifte den langen grauen Bart des Männchens ein und rasierte es so glatt, dass kein einziges Härchen mehr am Gesicht saß. Dann packte er das Zeug genauso zusammen, wie es das Männchen getan hatte und legte es auf den Tisch.
Das Männchen, als es sich rasiert sah, lächelte froh und nickte dem Krämer zu, als ob es danken wollte. Dann stand es auf, gab dem Krämer den Schlüssel zum Wandkasten und ging.
Als der Händler den Kasten öffnete, fand er dort einen großen Schatz. Nun war er ein reicher Herr und wurde ein großer Kaufmann, wie man keinen zweiten im ganzen Land fand.