zurück || Homepage

Münchhausen
Die Enten an der Schnur


Während der Jagd bemerkte ich eines schönen Morgens ein paar Dutzend Wildenten, die friedlich auf einem kleinen See herumschwammen. Hätte ich eine Ente geschossen, wären die anderen davongeflogen, und das wollte ich natürlich nicht. Da kam mir ein guter Gedanke. Ich dröselte eine lange Hundeleine auf, verknotete die Teile, so dass sie nun viermal so lang war wie vorher, und band an einem Ende ein Stückchen Schinkenspeck fest, das von meinem Frühstück übriggeblieben war.

Dann versteckte ich mich im Schilf und warf vorsichtig meine Leine aus. Schon schwamm die erste Ente herbei und verschlang den Speck. Da er sehr glatt und schlüpfrig war, kam er bald, samt dem Faden, an der Rückseite der Ente wieder heraus. Da kam auch schon die nächste Ente angerudert und verschlang das Speckstückchen. Auch bei ihr tauchte es kurz darauf hinten wieder auf, und so ging es weiter! Der Speck machte seine Reise durch alle Enten hindurch, ohne dass die Leine riss, und sie waren,, daran aufgereiht wie die Perlen an einer Schnur.

Ich zog meine Enten an Land, schlang die Leine sechsmal um mich herum und ging nach Hause. Die Enten waren sehr schwer, und ich war schon".". recht müde, da begannen die Enten, die ja alle noch lebendig waren, plötzlich mit den Flügeln zu schlagen und stiegen in die Luft! Mit mir! Denn ich hatte ja die Leine um mich herumgewickelt! Sie schienen zu dem See zurückfliegen zu wollen, aber ich benutzte meine langen Rockschöße als Ruder, und so mussten die Enten umkehren. Ich steuerte sie landeinwärts bis wir nicht mehr weit von meiner Wohnung waren. Nun drehte ich der ersten Ente den Hals um, dann der zweiten, schließlich einer nach der andern und so sank ich, sanft und langsam, auf mein Haus herunter, mitten durch den Schornstein und haargenau auf den Küchenherd, wo die Enten ja hinsollten. Mein Koch staunte nicht schlecht 1 Zu meinem Glück brannte auf dem Herd noch kein Feuer. Sonst hätte es womöglich Münchhausenbraten gegeben, statt Entenbrust mit Preiselbeeren!

Ein andres Mal, aber im gleichen Jagdrevier, stieß ich ganz unerwartet auf einen kapitalen Hirsch, und ausgerechnet an jenem Morgen hatte ich gerade die letzte Flintenkugel verschossen! Das stattliche Tier schien das zu ahnen und blickte mir, statt auszureißen, beinahe ein bisschen unverschämt ins Gesicht. Weil mich das ärgerte, lud ich meine Büchse mit Pulver, streute eine Handvoll Kirschkerne drauf, die ich in der Rocktasche gehabt hatte, zielte zwischen das Geweih des Hirsches und schoss. Er taumelte, als sei er betäubt, trabte dann aber auf und davon.

Ein oder zwei Jahre danach jagte ich wieder einmal im gleichen Revier, und plötzlich tauchte vor mir ein prächtiger Hirsch auf, mit einem veritablen Kirschbaum zwischen dem Geweih! Warte! dachte ich, diesmal entkommst du mir nicht! Ich streckte ihn mit einem Blattschuss nieder. Und da sein Kirschbaum voller Kirschen hing, gab es am nächsten Sonntag Hirschrücken mit Kirschtunke Ich kann euch sagen es war ein delikates Essen!

Eines Tages fiel mich ein fürchterlicher Wolf an, und zwar so überraschend, dass ich nicht zum Schießen kam. Mir blieb in der Eile nichts andres übrig, als ihm die Faust in den offenen Rachen zu stoßen. Ich stieß immer weiter zu, denn was hätte ich sonst tun sollen? Schließlich hatte ich meinen Arm bis zur Schulter in dem schrecklichen Biest drin. Stirn an Stirn mit einem Wolf, dessen Maul schäumte und dessen flammende Augen vor Mordlust blitzten - nein, sehr wohl war mit nicht! Ganz und gar nicht! Weil ich keinen anderen Ausweg sah, packte ich den Wolf endlich fest bei den Eingeweiden, krempelte sein Inneres nach außen, als wäre er ein Handschuh, warf ihn beiseite, ließ ihn im Walde liegen und ging erleichtert meiner Wege.

Mit dem tollen Hund, der mich tags darauf in einem Petersburger Gässchen anfiel, hätte ich das nicht probieren mögen. Lauf, was du kannst! dachte ich und rannte, was das Zeug hielt. Währenddem zog ich den Überrock aus und warf ihn auf die Straße. Der Hund fiel über den Rock her, und ich rettete mich in ein Haus.

Später ließ ich dann den Rock durch meinen Bedienten holen und, nachdem er ihn geputzt und ausgebessert hatte, in den Kleiderschrank hängen. Am Nachmittag stürzte der Diener entsetzt in mein Zimmer und rief: »Herr Baron! Der Rock ist toll! «Ich lief mit ihm zum Kleiderschrank. Die meisten Röcke, Hosen und Westen hatte der tollwütige Rock schon zerrissen und zerfetzt. Ich ließ mir eine Pistole bringen und konnte ihn gerade noch, als er über meine kostbarste Galauniform herfallen wollte, totschießen.

Das ist übrigens der einzige in der Medizin bekanntgewordene Fall, dass die Hundetollwut auch Kleider ansteckt.

Einmal jagte ich einen Hasen zwei Tage lang. Mein Hund brachte ihn immer wieder heran, aber ich konnte und konnte nicht zum Schuss kommen. Es grenzte an Hexerei, und obwohl ich nicht an derlei glaube, wusste ich keine andre Erklärung. Endlich traf ich den Hasen. Der Hund apportierte ihn, und was, glaubt ihr, sah ich? Das Tier hatte nicht nur die üblichen vier Läufe, sondern auch noch zwei Vorder- und zwei Hinterläufe auf dem Rücken! Waren die zwei unteren Paare müde, warf er sich wie ein Schwimmer herum und rannte auf dem Rücken weiter. Na, nun war er allerdings tot, und dass er acht Läufe statt ihrer vier hatte, war nur noch für meine Gäste und mich wichtig, die ihn aufaßen. Es war eine Portion mehr.

Dass ich ihn überhaupt hatte schießen können, war im Grunde nicht mein Verdienst, sondern das meines damaligen Hundes. Es war ein Windhund, und er übertraf an Schnelligkeit und Ausdauer alle Hunde, die ich je besessen habe. Er lief so oft, so schnell und so lange, dass er sich mit der Zeit die Beine bis unterm Bäuche weglief! Während seiner letzten Lebensjahre konnte ich ihn deshalb nur noch als Dackel gebrauchen. Aber auch als Dachshund war er erstklassig. Und ich werde sein Andenken stets in Ehren halten.