Im Spukschloss der Oma

Michaels Großmutter wohnte in einer kleinen Stadt im Spessart. Dort besaß sie ein kleines Häuschen am Rand des großen Stadtparks. In den Pfingstferien durfte der Junge mit seinen Eltern die Oma besuchen.

"Omas Häuschen ist ein richtiges Spukschloss", sagte der Vater scherzend. Michael wollte es nicht glauben. Doch nach Einbruch der Dämmerung wurde alles unheimlich. Ein Käuzchen rief im Park, aus dem jungen Grün der hohen Bäume segelten seltsame Vögel heraus. Sollten das Fledermäuse sein? Bald kam die Schlafenszeit, und Oma sagte: "Hier unten reicht der Platz nicht aus. Einer von uns muss oben in der Dachkammer schlafen. Dort steht noch ein Gästebett."

Michael war sofort bereit, nach oben zu gehen. Er fürchtete sich nicht. Oma richtete ihm sein Bett her und Michael schlüpfte flux hinein. Beim Hinausgehen öffnete sie noch ein wenig die Fensterluke zum Lüften und verschwand.

Dielen knarrten und Dachbalken ächzten. Michael jedoch machte sich nichts daraus. Er war bereits schon eingeschlafen.

Früh am Morgen wachte er auf. Es begann gerade hell zu werden. Irgend etwas flatterte oder schwirrte durch die Dachkammer. Kamen Großmutters Gespenster etwa am frühen Morgen? fragte sich Michael. Er wagte nicht, die Augen aufzumachen und am liebsten wäre er weit unter die Bettdecke gekrochen. Bums! klatschte etwas gegen die Fensterscheibe. Michael bekam eine Gänsehaut. Einen Augenblick lang war alles ruhig. Dann begann es auf dem Tisch unter dem Fenster zu rascheln. Dort lag wohl eine alte Zeitung. Am liebsten hätte Michael um Hilfe gerufen, aber seine Stimme und seine Glieder waren steif vor Angst und hören würde man ihn sicherlich auch nicht.
Vorsichtig öffnete er seine Augen und blinzelte ein bisschen durch den Raum. Ohne sich zu bewegen, blickte er zum Tisch. Was er sah?

Es war ein verängstigter Spatz, der durch das halboffene Fenster in die Dachkammer hineingeirrt war. Jetzt suchte er vergebens nach einem Ausgang ins Freie. Schnell war Michael aus den Federn und machte das Fenster so weit auf, dass der Vogel hindurchfliegen konnte und schwupps! war er auch schon hinausgeflogen. Das war also das kleine Gespenst, was ihm so einen Schrecken eingejagt hat. Und vor Spatzengespenster fürchte er sich ganz und gar nicht. Nicht einmal in Omas Spukschloss!


Dieses Märchen wurde mir von Dieter [ http://die-maerchen.de.vu  E-Mail: chax@wtal.de ] zur Verfügung gestellt.