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Die Affenfrau


Das Märchen von der Affenfrau hat mir ein Indianer erzählt. Dort waren einmal ein Mann und eine Frau, die hatten eine Äffin gefangen und aufgezogen. Sie war so zahm und anhänglich geworden, die alten Leute ließen sie ruhig allein zu Hause, wenn sie fortgingen. Eines Tages, als sie ausgegangen waren, um Freunde zu besuchen, streifte die Äffin ihre Haut ab, warf sie über einen Hausbalken und band sich eine Perlenschürze um und anderen Zierrat, der im Hause zurückgeblieben war. Darauf kochte sie sich Kassawa und aß. Endlich zog sie ihr Fell wieder an.

Als die Hausbewohner zurückkamen, suchten sie die Kassawa und konnten sie nirgends finden. Aber obgleich sie sich sehr darüber wunderten, hatte niemand die Äffin im Verdacht. Bei der nächsten Gelegenheit, da wieder einmal alle fortgingen, verbarg sich ein junger Mann und blieb zurück, um aufzupassen, damit nicht zum zweiten Mal jemand die Kassawa stehle.

Nach einiger Zeit zog die Äffin ihr Fell aus, kleidete sich wie zuvor, und fing an, Kassawa zu backen. Da sprang der junge Mann hervor und packte die Äffin, und da sie so schön war, sagte er zur ihr: "Du musst meine Frau werden!"

Es gab einen harten Kampf.

"Nein", sagte sie, "ich kann nicht deine Frau werden."

"Aber ich habe ein solches Verlangen nach dir", erwiderte er. "Das ist alles recht schön", sagte sie, "aber du wirst mich schlecht behandeln und prügeln und du wirst 'Affe' zu mir sagen."

Er versicherte ihr, dass er sie niemals schlecht behandeln würde, und sie willigte endlich ein. Da riss er das Affenfell vom Balken herunter und warf es ins Feuer.

Sie lebten lange Zeit zusammen, und sie gebar ihm einen Knaben. Danach begannen aber ihre Leiden, denn er war ihrer überdrüssig geworden.

Er fing an, sie zu schlagen, sagte 'Affe' zu ihr und quälte sie in jeder Weise.

Schließlich wurde es ihr zuviel, und sie sagte zu sich selbst:

"Ich kann diese Behandlung nicht länger ertragen. Ich will zurückkehren zu meinen Leuten."

Sie sagte ihrem Manne, sie wolle zum Baden gehen. Statt dessen ging sie aber weit in den Wald hinein. Ihr Mann wartete lange, lange auf sie, und endlich machte er sich auf, sie zu suchen. Sie hinkte unterdessen an einem Stock umher und versuchte, ihre frühere Gangart auf vier Füßen wieder herauszubekommen. Gerade war es ihr geglückt, nach alter Gewohnheit sich von einem Baum zum andern zu schwingen, und ihr kleiner Knabe fing schon an, die Bewegungen der Mutter nachzuahmen, als ihr Mann kam. Da sah er sie mit dem Kleinen vom Wipfel eines Baumes zum andern springen.

"Komm nach Hause zurück!" rief er, aber sie hörte nicht auf ihn.

Nur der Knabe, dem der Vater leid tat, warf ihm Spinnen und Insekten zum Essen hinunter. Affen können solche Dinge wohl essen, aber sie sind keine Kost für Menschen, und so blieb der Vater hungrig.

"Komm nach Hause zurück!" schrie er von neuem, während er versuchte, ihr unten durch die Büsche zu folgen.

Sie sah auf ihn herab und rief ihm zu: "Nein, ich bin genug gestraft gewesen durch dich!" So setzten sie ihren Lauf fort, der Vater unten auf dem Boden, Mutter und Kind sich in den höchsten Zweigen von Baum zu Baum schwingend. Endlich kamen sie an einen breiten Fluss. Da rief die Äffin ihren Verwandten zu: "Kommt und holt uns!" Und da kam ein starker Wind, der wehte wider die Bäume der gegenüber liegenden Uferseite, dass sie sich weit über den Fluss hinüber neigten und die Bäume der anderen Seite berührten. Nun konnte die Mutter mit ihrem Kinde hinüberspringen, und als sie drüben waren, schlugen die Bäume und Büsche zurück, wie sie vorher gestanden hatten.

Die Äffin rief dem Manne zu: "Du musst uns nachschwimmen, wenn du uns haben willst!" Und der kleine Knabe, der seinen Vater wirklich gern hatte, rief: "Lebe wohl, ich gehe fort!" Aber die Mutter rief nichts mehr.

Der Mann verließ das Ufer und ging wütend nach Hause. Dort zerstörte er alles, was der Frau gehört hatte. Er zerschnitt ihre Hängematte, zerbrach ihre Kalebassen und zerschlug ihre Töpfe.