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Kapitel

Vorwort
Eine Schlägerei und der Ritterschlag

Das Abenteuer am Kreuzweg

Der Kampf mit den Windmühlen
Ein halbes Ohr und ein halber Heim
Das verhexte Wirtshaus
Der Ritter zwischen Himmel und Erde
Die Heimreise im Käfig
Wasserburg und Wellenbad
Der Flug auf dem hölzernen Pferd
Der Einzug in Barcelona

Don Quichotte
Erich Kästner


Das verhexte Wirtshaus

Doch auch weiterhin litten sie an Abenteuern keinen Mangel. Wer sich einbildet, ein Ritter zu sein, obwohl es keine Ritter mehr gibt, der erlebt sein blaues Wunder an jeder Straßenecke. Einmal befreite Don Quichotte ein Dutzend gefesselter Galeerensträflinge, weil er sie für bedauernswerte und zu Unrechtverhaftete Bürgersleute hielt. Ein andermal, mitten in der Nacht, überfiel er, weil er ein dunkles Verbrechen vermutete, eine Schar frommer Mönche, die einen Sarg zum nächsten Friedhof trugen. Und wieder ein andres Mal verwechselte er eine Hammelherde mit feindlichen Truppen und spießte mit seiner Lanze sieben Schafe auf.

Wer Schläge austeilt, kriegt auch Schläge. Er und Sancho Pansa hatten überall gelbe, blaue und grüne Flecke. Sie hinkten und hatten Beulen. Und beiden zusammen fehlten neun Backenzähne. Auch Rosinante und der Esel waren strapaziert und ruhebedürftig. Und so beschloss man, ein paar Tage in einem Wirtshaus zu bleiben, das am Wege lag.

Auch diese Schenke hielt er für eine Burg! Und weil von der Decke seiner Kammer riesige Weinschläuche aus gegerbten Ochsenhäuten herabhingen, träumte er schon in der ersten Nacht, die Burg sei verzaubert und verhext und Riesen und Zauberer kämen in die Kammer, um ihn umzubringen. Da packte er den Degen, der neben dem Bett lag, sprang mit einem Satz aus den Federn und hieb und stach auf die prallen Ochsenhäute ein, dass der Rotwein aus allen Löchern und Nähten spritzte.

Sancho Pansa, der Wirt und ein paar Gäste wurden von dem Getöse geweckt, zündeten Kerzen an, gingen dem Lärm nach, rissen die Kammertür auf und erstarrten vor Schreck. Der Fußboden war rot. Der Ritter war rot. Sein Bett war rot. »Hilfe!« schrie Sancho Pansa. »Mein Herr wird ermordet! « Denn er und die Gäste glaubten, der rote Wein sei Blut. Nur der Wirt wusste es besser und begann zu zetern. »Mein schöner, guter, teurer Rotwein! « rief er wütend und wollte dem Ritter in den Arm fallen. Doch der focht wie der Teufel und stieß immer neue Löcher in die Weinschläuche. Erst als sie bis auf den letzten Tropfen leergelaufen waren, konnte man Don Quichotte mühsam zu Bett bringen.

Während die Gäste in ihre Zimmer zurückgingen, sagte der eine: »Ich habe es deutlich gesehen - der Ritter kämpfte mit geschlossenen Augen! Vielleicht ist er ein Schlafwandler?« - »Nicht dass ich wüsste«, gab Sancho Pansa zur Antwort. »Er war nur müde.« »Menschen, die müde sind, fechten nicht«, meinte ein andrer. Da sagte Sancho Panso stolz: »Wir schon!« Der Wirt aber jammerte in seiner Stube, bis der Morgen graute.