zurück || Homepage

Der Hexenspiegel
Märchen aus dem Elsaß


Vor langer Zeit hatten die Hexen allerlei Handwerkszeug, das ihnen ihre Tätigkeit erleichterte und die Macht, die sie ausüben wollten, vermehrte. Dazu gehörte unter anderem auch ein kleiner Spiegel, in dem sie jede Person ganz deutlich sehen und auch andern zeigen können, die sie nur immer sehen wollen, nicht nur Abwesende, die sie genau kennen, sondern auch Unbekannte, deren Namen sie nennen oder die sie auch nur näher bezeichnen können, z. B. einen Dieb, der eine bestimmte Sache gestohlen hat, oder einen Jüngling, der einem neugierigen Mädchen zum Mann bestimmt ist.

Der Spiegel ist ursprünglich ein ganz gewöhnlicher Spiegel. Den muss man in der Weihnachtszeit zwischen 11 und Mitternacht in einem neuen Grab, in dem zuletzt jemand beerdigt worden ist, mit der Spiegelseite nach unten verscharren und wohl zudecken, dass man nichts mehr davon sehen kann. In der darauffolgenden Nacht wird der Spiegel um dieselbe Zeit wieder ausgegraben und in dem zweitletzten Grab verscharrt; ebenso in der dritten Nacht im drittletzten. In der vierten kann man ihn holen, denn er ist fertig.

Die Spiegelfläche ist dann blind geworden, so dass man sich nicht mehr darin betrachten kann.

Wenn man nun eine Person in dem Hexenspiegel sehen will, muss man einen bestimmten Zauberspruch hersagen, wie auch jedes Mal beim Eingraben und beim Ausgraben ein besonderer Spruch hergesagt werden muss. Wie lauten aber diese Sprüche? Das habe ich leider trotz aller Mühe nicht erfahren können, und, wenn ich sie erfahren würde, behielt ich sie wohlweislich für mich allein; denn ich würde mir auch einen solchen Zauberspiegel verschaffen und, wenn du zu mir kämst, würde ich dir deinen Zukünftigen darin zeigen. Hoffentlich ist's dann ein recht Schöner und recht Reicher!