Die Unglücksbringerin

En s gab einmal einen König, der drei Töchter hatte. Eine von den dreien war aber eine Unglücksbringerin und brächte, ließe man sie gewähren, dem Königreich Verderben. Der König wusste das, doch welche von den dreien es war, wusste er nicht.

Er ging daher zu den Zauberern, und. die Zauberer sagten ihm, »Deine eine Tochter ist einmal eine Unglücksbringerin und sie könnte dich verderben. Was musst du da tun? Geh drei groß Wachskerzen kaufen, stell sie gerade hin, zünde sie an den Kopfkissen deiner Töchter an, und die, deren Kerze zuerst erlischt, ist die Unglücksbringerin.«

Nun erlosch aber zuerst die Kerze der jüngsten, die der König am liebsten hatte. Da sagt er zu ihr: »Komm morgen früh mit, mein Kind! Wir wollen irgendwohin gehen, wo man uns zur Taufe eingeladen hat.«

Er hatte jedoch mit seinem Diener, dem Mohren, abgemacht, dass der mit der Königstochter weit fortlaufen sollte, sie abschlachten und sein Taschentuch in ihr Blut tauchen und das Tuch ihm überbringen sollte.

Am nächsten Morgen ging auch der Vater erst ein Stück mit und sagt auf einmal unterwegs zu der jüngsten: »Ich habe meine Uhr vergessen, Tochter, und will sie holen gehen.«

Der Diener ging mit der Tochter weit fort, und sie kamen an eine Quelle. Dort setzten sie sich und das Mädchen sagt: »Mein Vater verspätet sich mit seinem Kommen.«

»Dein Vater? Der kommt überhaupt nicht. Er ist nämlich bei den Zauberern gewesen, und die haben ihm gesagt, dass du eine Unglücksbringerin wärest. Da hat er mir aufgetragen, ich sollte dich schlachten. Aber du tust mir leid, und ich schlachte dich nicht. Ich will dich nur etwas in den Finger schneiden, damit ich mein Taschentuch blutig machen und ihm bringen kann.«

Der Diener schnitt sie also in den Finger, ging fort und brachte ihrem Vater das Tuch.

Das Mädchen blieb an der Quelle. Was sollte so ganz allein aus ihm werden? In der Nacht sah es von weitem ein Licht. Es lief darauf zu, und dort befand sich ein Gärtner in seinem Haus. Es sagt zu ihm: »Onkel hast du Platz, dass ich hier schlafen kann?«

Der Gärtner antwortet ihm: »Ich habe Platz, mein Kind, schlaf nur hier!«

Es schlief also dort. In der Nacht aber machte sich seine böse Schicksalsfrau - da es ja eine Unglücksbringerin war - daran, den Garten niederzumähen.

Der Gärtner wurde wieder wach und spricht dann: »0 was hast du mir angetan! - Du hast mir ja den Garten zerstört!«

Ach bin nicht von dort aufgestanden, wo ich mich hingelegt hatte, Onkel!«

Danach ging das unglückliche kleine Mädchen von dem Gärtnerfort, und am nächsten Abend sah es wieder von weitem ein Licht. Es lief darauf zu und kam zu einem Schafhirten, und zu dem sagt es jetzt: »Hast du Platz, Onkel, dass auch ich hier schlafen kann?« - »ja, ich habe Platz, mein Kind, schlaf nur hier!«

In der Nacht ging wieder seine böse Schicksalsgöttin ans Werk. Sie schlachtete alle Schafe des Hirten ab. Ganz erschrocken war der Hirt am Morgen aufgestanden. »Oh! Was hast du mir angetan! Du hast ja alle meine Schafe abgeschlachtet!« - Ach bin nicht von dort aufgestanden, wo ich mich hingelegt hatte, Onkel!« - »ja, mein Kind, da magst du recht haben! Aber du bist nun einmal eine Unglücksbringerin, und dein Vater hat dich fortgejagt. Da - dort weiter hinten wohnt eine alte Frau. Zu der gehe, die soll dich mit deinem Schicksal versöhnen. Sie ist eine Zauberin. Sie wird zwar auf dich schelten, sie wird dich hinauswerfen, aber du sollst nicht etwa von dort weggehen. >Ich gehe nicht fort, wenn du mir nicht mein Schicksal in gute Ordnung bringst!< sollst du sagen.«

Das Mädchen ging also von dem Hirten fort. Die Frau brachte es mit seinem Schicksal in gutes Einvernehmen, und sie erklärte ihm: »Hör zu, mein Kind! Du bist schön, bist auch jung, es geht nicht an, dass du so allein herumläufst. Du musst eine alte Frau finden, mein Kind, die musst du schlachten, deren Haut nehmen und dir überziehen, damit du wie eine Alte aussiehst. Da - nimm das Messerchen da! Wenn dir irgendeine alte Frau begegnet, so schlachte sie ab!« »ja, Tante«, sagt da das Mädchen zu der Alten, »aber warum soll ich erst irgendeine alte Frau finden? Dich selber werde ich schlachten! «

Es schlachtete also die Alte und zog weiter. Es gelangte an einen Palast und wurde Magd darin.

Es zog die Haut aus, da wurde es eine schöne Jungfrau, und der Königssohn bekam sie zu sehen. Sie gefiel ihm, und er heiratete sie.

Eines Tages saß nun die junge Frau am Fenster. Ihr Vater war an jenem Morgen mit dem Mohren auf die Jagd gegangen. Und so erblickte sie ihr Vater am Fenster. Da schilt er auf den Mohren: »Du Kerl, du Hund! Hattest du mir nicht gesagt, du hättest sie geschlachtet?« ­ »ja, mein König, aber sie dauerte mich, und so schlachtete ich sie eben nicht.«

Die Tochter sieht die beiden und begrüßt sie. Der Vater fragt sie: »Willst du wieder zu uns nach Hause kommen, mein Kind?« »Nein, zu dir will ich nicht! Du hattest doch gesagt, man solle mich schlachten, und jetzt bin ich >dein Kind<?« ­ »Willst du aber, dass ich dir deine Schwestern schicke, damit du die wiedersiehst?«

Die Tochter sagt: »So schick sie mir!«

Und jetzt erzählt die junge Frau ihrem Mann ihre ganze Lebensgeschichte, und sie sagt auch: »Morgen kommen meine Schwestern. «

»Also gut! Wenn deine Schwestern kommen, sollst du den ganzen Palast für sie auftun. Nur das Bad, in dem ich mich zu baden pflege, darfst du nicht öffnen. Solltest du das Bad doch öffnen, verlierst du mich und siehst mich nicht mehr wieder.«

Hin ­ ihre Schwestern kamen also. Sie waren jedoch nicht davon abzubringen, dass die junge Frau auch das Bad aufmachen sollte, damit sie es sehen könnten. Da öffnete die junge Frau ein Fensterchen, damit sie sehen könnten, was drinnen ist. Die Schwestern hatten aber zerstoßenes Glas in ihren Taschen, und das warfen sie ins Bad, denn der Neid auf die junge Frau hatte sie gepackt.

Ihr Mann kommt. Er fragt: »Waren deine Schwestern da?« ­ »Sie waren da.« ­ »Hast du etwa das Bad aufgemacht? Wenn du es aufgemacht hast, so sag es mir! Ginge ich nämlich trotzdem hinein, würdest du mich verlieren!«

Die junge Frau sagt es ihm aber nicht. Und der Mann geht am nächsten Tage ins Bad. Er lässt sich auf die eine Seite fallen und wird voller Glassplitterchen, er lässt sich auf die andere fallen und wird voller Glasstäubchen.

Und dann lief er weg, und sie verlor ihn. Was sollte nun aus ihr werden? Man jagte sie aus dem Palast und auch sie ging also fort.

Sie ging, ging weiter, kam in einen Wald und setzte sich unter eine Eiche. Als sie dort über Nacht lagerte, kamen Katzen ­ dreiundvierzig Katzen kletterten auf den Baum.

Die unglückliche junge Frau hörte vom Baum her »miau, miau ... « Da sagt sie zu sich: »Oh, jetzt werden die auch runterkommen und mich auffressen!"

In der Nacht aber sprechen die Katzen oben auf der Eiche miteinander: »Was sollen wir denn mit dem Königssohn machen, um ihn zu heilen?« sagen die einen. Darauf antworten andere: »Ach, mit unserem Fett müsste man den einreiben, da würden die Glasstäubchen schon hinauseitern. Doch das dürfen wir gar nicht sagen, sonst schlachten sie noch eine von uns!«

Die junge Frau hört von unten her sehr genau zu. »Ah, die sprechen von meinem Mann!«

Als es in der Frühe wieder hell wurde, sprangen die Katzen von der Eiche herab, sagen nun zu dem alten Kater, den sie bei sich hatten: »Du musst oben bleiben und auf unsere Sachen aufpassen!«

Dann schlief aber der alte Kater ein, obwohl sie ihn dort gelassen hatten, damit er auf ihre Sachen aufpasste.

Und die junge Frau holt das Messerchen hervor, mit dem sie die Alte geschlachtet hatte, und geht ganz, ganz leise an ihn heran, packt ihn am Genick, schlachtet ihn, zieht ihm das Fell ab und nimmt das Fett Mit.

Und dann fragt und fragt sie, wo wohl der Kranke wäre, der die Glasscherben in sich hat. Und dann findet sie ihn auch und sagt: » Liebe Leute, lasst auch mich eine Arznei für den Kranken machen, vielleicht kann ich ihm Linderung schaffen! «

Sie rieb ihn dann ein, und die Glasstäubchen eiterten aus, und der Mann wurde gesund.

Und dann nahm sie den Königssohn mit, und sie aßen und tranken und verlebten eine gute Zeit.


Dieses Märchen wurde mir von Dieter [chax@wtal.de] zur Verfügung gestellt.